Urlaubsvergütung bei Kündigung

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Vorsorglich die Urlaubsvergütung bei Kündigung gewähren!


Kündigt ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich, so kann er für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung zur Meidung einer Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen vorsorglich den Urlaub in der Kündigungsfrist gewähren. Der Arbeitgeber muss jedoch dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlen oder verbindlich zusagen, LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 04.09.2019, 4 Sa 15/19.
 

Sachverhalt:

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der seit dem 15.12.2012 bei dem Unternehmen beschäftigt war. Zuletzt bezog er ein monatliches Entgelt in Höhe von 1.900,00 Euro brutto monatlich.


Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 18. September 2017 außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2017. In diesem Kündigungsschreiben hieß es hinsichtlich der noch offenen Urlaubsansprüche:

 

" Für den Fall der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gelte ich Ihnen bis zum Kündigungszeitpunkt nicht genommenen Urlaub ab.

 

Für den Fall der nicht anzunehmenden Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung habe ich Ihnen hilfsweise ordentlich gekündigt. In diesem Fall gilt Folgendes: Sie werden Ihren sämtlichen noch nicht genommenen Urlaub direkt im Anschluss an den Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung in der Zeit vom 19.09.2017 bis 11.10.2017 nehmen. Die gezahlte Abgeltung ist dann als Zahlung des Urlaubsentgelts für den betreffenden Zeitraum zu verstehen. In jedem Fall sage ich Ihnen für die Zeit Ihres Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu."


Der Beklagte rechnete das Entgelt bis 18. September 2017 ab in Höhe von 1.140,00 Euro brutto zuzüglich einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.338,88 Euro brutto. Die abgerechneten Beträge wurden an den Kläger ausbezahlt.

 

Im Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht Stuttgart (5 Ca 6338/17) einen gerichtlichen Vergleich, dessen Zustandekommen gem. § 278 Abs. 6 ZPO mit Beschluss vom 24. November 2017 festgestellt wurde. Dieser lautet wie folgt:

 

1. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund ordentlicher Kündigung des Beklagten vom 18.09.2017 mit Ablauf des 31.10.2017 geendet hat.

 

2. Der Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger eine Sozialabfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 4.000,00 Euro brutto zu bezahlen. Der Abfindungsanspruch entsteht mit Bestandskraft dieses Vergleichs. Er ist ab diesem Zeitpunkt vererblich. Die Bezahlung ist fällig zum 30.11.2017.


3. Der Beklagte verpflichtet sich, den Zeitraum vom 18.09.2017 bis 31.10.2017 ordnungsgemäß auf der Basis eines Monatsgrundgehalts in Höhe von 1.900,00 Euro abzurechnen und dem Kläger die entsprechenden Nettobeträge auszubezahlen.

 

4. Der Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis mit einer Gesamtbeurteilung der Note „gut“ zu erteilen. Das Zeugnis enthält ferner einer der Gesamtbeurteilung entsprechende Schlussklausel.

 

5. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit sowie alle finanziellen Ansprüche zwischen den Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt.


6. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.


Im Anschluss an den Vergleich nahm der Beklagte Korrekturabrechnungen vor, in welchen er für die Monate September und Oktober 2017  jeweils ein Bruttoentgelt in Höhe von 1.900,00 Euro auswies und in der Oktoberabrechnung die Abfindung in Höhe von 4.000,00 Euro. Die beiden Korrekturabrechnungen wurden in einer weiteren Abrechnung für den Monat Dezember 2017 zusammengefasst. Unter Berücksichtigung bereits geleisteter Zahlungen wurde der ausgewiesene saldierte Nettobetrag an den Kläger zur Auszahlung gebracht. Die bisherige Urlaubsabgeltung wurde dabei als (bereits geleistetes) Urlaubsentgelt behandelt.


Der Kläger vertrat die Auffassung, der Beklagte hätte die bereits geleistete Urlaubsabgeltung nicht nachträglich als Urlaubsentgelt behandeln dürfen. Ihm stünden deshalb noch 1.338,88 Euro brutto Entgelt aus Annahmeverzug zu.

 

Er vertrat die Auffassung, die vorsorgliche Urlaubsgewährung für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung sei nicht zulässig gewesen, da während des Laufs der Kündigungsfrist nicht klar gewesen sei, ob überhaupt eine Arbeitspflicht bestanden habe. Ohne feststehende Arbeitspflicht habe er von einer solchen nicht wirksam befreit werden können.

 

Außerdem ergebe sich aus der Formulierung im Vergleich, dass die titulierten Beträge „auszubezahlen“ seien, in Verbindung mit der Gesamterledigungsklausel, dass eine nachträgliche Anrechnung des bereits abgegoltenen Urlaubs auf die noch ausstehende Vergütungszahlung nicht habe in Betracht kommen sollen.


Entscheidung des Landesarbeitsgerichts:


Das Landesarbeitsgericht entschied, dass dem Kläger durch die vorbehaltlose Zusage und Zahlung des Urlaubsgeldes der Urlaub während der Kündigungsfrist geweährt wurde. In den Urleilsgrunden heißt es:


"Dem Kläger steht für den Zeitraum 19. September bis 11. Oktober 2017 kein Anspruch auf Entgelt wegen Annahmeverzugs aus §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1 BGB in Höhe von 1.338,88 Euro brutto zu. Der Kläger hatte in diesem Zeitraum nämlich Urlaub. Das hierauf entfallende Urlaubsentgelt hat der Beklagte aber bereits bezahlt. Der Vergütungsanspruch des Klägers für den Gesamtzeitraum 19. September 2017 bis 31. Oktober 2017 ist somit erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB.


1. Der Beklagte hat mit seiner Bestimmung im Kündigungsschreiben vom 18. September 2017 dem Kläger wirksam Urlaub gewährt und den Urlaubsanspruch des Klägers im Zeitraum 19. September bis 11. Oktober 2017 wirksam erfüllt durch die vorbehaltlose Zusage und Zahlung des Urlaubsentgelts.


a) Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vorsorglich Urlaub gewähren für den Fall, dass die von ihm ausgesprochene Kündigung unwirksam sein sollte. Eine solche vorsorgliche Urlaubsgewährung liegt im wohlverstandenen Eigeninteresse des Arbeitgebers, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 -). Die erklärte Arbeitsbefreiung muss jedoch hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des Anspruchs auf Urlaub gewährt wird. Sonst kann nicht festgestellt werden, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs die geschuldete Leistung bewirken will (§ 362 Abs. 1 BGB), als Gläubiger der Arbeitsleistung auf die Annahme verzichtet (§ 615 Satz 1 BGB) oder ob er dem Arbeitnehmer nach § 397 Abs. 1 BGB anbietet, die Arbeitspflicht vertraglich zu erlassen (BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 -; BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 -).


Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist frei und erhebt der Arbeitnehmer Klage nach § 4 KSchG, so steht in dem Zeitraum, in dem der Urlaub erfüllt werden soll, regelmäßig nicht rechtskräftig fest, ob die außerordentliche Kündigung wirksam ist. Da nur im Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung eine Arbeitspflicht besteht, von der der Arbeitnehmer befreit werden kann, ist mit Zugang der bedingten Freistellungserklärung des Arbeitgebers bei dem Arbeitnehmer nicht klar, ob eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht, von der eine Befreiung möglich ist. Darüber hinaus ist der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht allein auf die Freistellung von der Arbeitsleistung gerichtet. Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses Anspruchs genügt nicht, dass der Arbeitnehmer in der Zeit des Urlaubs nicht arbeiten muss. Das Gesetz verlangt, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeit „bezahlt“ sein muss. § 1 BUrlG entspricht insoweit der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und ist damit einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich (BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 -). Um trotz der zum Zeitpunkt der Freistellungsgewährung noch bestehenden Unsicherheit über das Bestehen einer Arbeitspflicht Sicherheit über die Verbindlichkeit der „bezahlten“ Urlaubsgewährung erlangen zu können, ist es unter Berücksichtigung der Arbeitszeitrichtlinie deshalb erforderlich, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein muss. Dazu genügt es nicht, wenn ihm zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer ist in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht weiß, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird. Mit dem unionsrechtlichen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird bezweckt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Dieser Zweck kann typischerweise nur dann erreicht werden, wenn der Arbeitnehmer während des Zeitraums weiß, dass er in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt ist, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist. (BAG 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 -; BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 -). Der Arbeitgeber muss deshalb vor dem Urlaubsantritt die Urlaubsvergütung zahlen oder zumindest vorbehaltlos zusagen (BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 -).


b) In Anwendung dieser Grundsätze hat der Beklagte dem Kläger wirksam Urlaub gewährt.


[...]
 

Die Gesamterledigungsklausel in Nr. 5 des gerichtlichen Vergleichs ändert an dieser Beurteilung nichts. Über andere Ansprüche als die titulierten streiten die Parteien nicht."

 

 

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